Feierliche Enthüllung des Denkmals für Jan Palach und Jan Zajíc

27. März 2024

Es ist der 16. Januar des Jahres 2024. Ich stehe vor der evangelischen Kirche in der Teplicer Straße...

Feierliche Enthüllung des Denkmals für Jan Palach und Jan Zajíc
27. März 2024 - Feierliche Enthüllung des Denkmals für Jan Palach und Jan Zajíc

Ich stehe vor der evangelischen Kirche in der Teplicer Straße mit dem Senatspräsidenten der Tschechischen Republik Miloš Vystrčil, dem Architekten David Vávra, dem Synodalsenior der EKBB Pavel Pokorný, dem Oberbürgermeister von Děčín Jiří Anděl und dem Děčíner Presbyter Pavel Randák. Miloš Vystrčil und David Vávra binden die Trikolore los, woraufhin fünf Meter weißer Stoff auf den Boden gleiten. Endlich ist das Denkmal für Jan Palach und Jan Zajíc für alle Gäste und Besucher der Feierlichkeit - die ganze Straße ist voll - in ganzer Pracht zu sehen.  Heute jährt sich die Verbrennung Jan Palachs vor dem Gebäude des Nationalmuseums am Wenzelsplatz in Prag zum 55. Mal. Die evangelische Gemeinde in Děčín erinnert schon seit Jahren in einer Gedenkveranstaltung auf der Treppe unserer Kirche an die Ereignisse dieses Tages. Vielleicht kam genau auf diesen Stufen Pavel Randák der Gedanke, gerade hier vor der Kirche den beiden Jans, die 1969, im Jahr nach der Invasion der Truppen des Warschauer Pakts die tschechoslowakische Gesellschaft aus ihrer Apathie wachrütteln wollten, ein kunstvolles Denkmal zu errichten. Es stimmt zwar, dass keiner der beiden jungen Männer in irgendeiner Weise mit Děčín verbunden war und sie wahrscheinlich auch nie hier gewesen sind, aber wir als evangelische Gemeinde in Děčín bekennen uns mit dem Denkmal zu ihrem heldenhaften Aufschrei in einer Zeit der gesenkten Köpfe und des Schweigens. „Der Mensch muss gegen das Böse kämpfen, das er imstande ist zu bezwingen“, schrieb Jan Palach. Dieser Appell gilt auch heute noch und daran wollen wir in unserer Stadt erinnern. Zu Boden gesenkte Köpfe, Apathie und Resignation sind auch heute überall präsent. Deshalb ist es notwendig, das Licht unserer mutigen Vorfahren auch hier leuchten zu lassen. 

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Der Synodalsenior und der Oberbürgermeister schreiten von der Kirche in Richtung Straße, um ihre Hände auf die Glasabdrücke der Handflächen zweier Frauen aus den jeweiligen Familien von Palach und Zajíc zu legen. Das weiß leuchtende Denkmal verfärbt sich blau und nach einer Weile rot. Ganz oben leuchtet ein Stern, der wie auch der Stern über Bethlehem dem Architekten zufolge auf die Hoffnung durch Christi Geburt hinweisen soll. Es erklingt das ikonische Lied „Ticho“ (Stille) von Bohdan Mikolášek, anschließend legen die geladenen Gäste ihre Blumen ab und die Besucher zünden auf dem Boden vor dem Denkmal Kerzen an. Auf der Mauer dahinter sind noch ganz schwach und unleserlich weiße Buchstaben zu erkennen, die jemand dort 1968 nach dem Einfall der Truppen hingeschrieben haben muss. Wir gehen in die Kirche und lauschen den Grußworten der Ehrengäste. Darunter ist auch der Superintendent des Kirchenbezirks Dresden Mitte Christian Behr, die Präsidentin der sächsischen Landessynode Bettina Westfeld, Bezirkskatechet Dresden Mitte René Hermann und der stellvertretende Bürgermeister Děčíns für Kultur Martin Pošta.  Es geht weiter im Programm mit einem anderen Lied von Mikolášek, ein Höhepunkt sind sicherlich die Worte des Denkmalarchitekten David Vávra.

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Und dann ist die Veranstaltung schon vorbei. Gemeinsam mit den Ehrengästen wärmen wir uns in einem nahegelegenen Café auf und blicken durch die Fenster auf das Denkmal. Wir haben es „Licht für Děčín“ genannt. Es wirft seinen Schein in die dunklen Straßen und immer noch kommen Menschen und legen ihre Handflächen auf das Denkmal. Dabei kommt mir der Gedanke, dass bestimmt für einige diese Berührung eine enge Verbindung zum Vermächtnis der beiden Jans darstellt.  Sie geben ihre „Hand darauf“, um insbesondere sich, aber auch anderen zu bekräftigen, dass Wahrheit, Liebe und Freiheit wichtige Werte sind, für die es sich lohnt etwas im Leben zu opfern.  
 
Tomáš Matějovský